Fallbeispiele
Erster Fall:
Vorstellung und Information:
Die 45 - jährige Ehefrau eines Lehrers mit vier Töchtern kam wegen einer Gewichtreduktion in meine Praxis. Sie hatte in der Tat ein erhebliches Übergewicht von ca. 20 kg.
Während des Vorgespräches bat sie mich, recht laut zu sprechen, da sie sehr schwerhörig sei. In diesem Gespräch erzählte sie mir von ihren Problemen mit der Familie und den erheblichen Schwierigkeiten, die sie mit ihrem Mann habe. Manchmal, wenn sie allein sei, würde sie sich richtig wohl fühlen und sich dann die eine oder andere Tafel Schokolade gönnen. Der Fall schien klar zu sein! Therapie nach einer Tranceeinleitung und senken auf eine mittlere Hypnosetiefe begann ich mit dem Aufbau bestimmter Entspannungssuggestionen.
Die Sitzung verlief recht erfolgreich. Sie berichtete nach der Sitzung, dass sie sich lange nicht mehr so wohl gefühlt habe und auf jeden Fall die Therapie komplett durchführen wolle! Beim Anfertigen des Sitzungsprotokolls fiel mir allerdings etwas auf. Während der Einleitungsphase und auch während der Suggestionen hatte ich ihre Schwerhörigkeit völlig vergessen und in normaler Lautstärke mit ihr gesprochen. Ich entschloß mich, in der nächsten Sitzung einen Test zu machen.
Einen Tag später suchte sie mich wieder auf. Sie berichtete, dass sie sich nach der Sitzung noch längere Zeit sehr wohl und entspannt gefühlt habe. Mehrmals versuchte ich mich mit ihr in normaler Lautstärke zu unterhalten. Jedesmal forderte sie mich auf, doch lauter zu sprechen, sie sei so schwerhörig. Während der anschließenden Sitzung sprach ich wieder in völlig normalem Tonfall mit ihr - sie reagierte auf jede Äußerung von mir!
Daraufhin setzte ich eine posthypnotische Suggestion. Jedesmal, wenn sie meine Stimme höre, würde sie ihre Schwerhörigkeit vergessen und mich genau verstehen. Nach der Sitzung war alles wie beim ersten Mal. Sie fühlte sich wunderbar entspannt und wohl. Bei diesem Nachgespräch redete ich völlig normal mit ihr - und sie verstand jedes Wort. Daraufhin führte ich ein längeres Gespräch mit ihrem Ehemann, da mir ein bestimmter Verdacht gekommen war. Ich bat ihn, mit uns eine Gaststätte zu besuchen, da ich einen weiteren Test durchführen wollte. Der Test bestand darin, mit ihr in normaler Lautstärke zu sprechen, obwohl dort ein hoher Lautpegel herrschen würde! Dennoch verstand sie jedes meiner Worte! In den nun folgenden Sitzungen bestätigte sich mein Verdacht. Durch ihre Schwerhörigkeit versuchte sie Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und sich weitgehend von den Forderungen ihrer Familie abzusetzen. In weiteren Sitzungen baute ich unter Hypnose eine Motivation in ihr auf, die sie befähigte ihren eigenen Forderungskatalog zu verstärken, aber nicht mehr auf alle Forderungen ihrer Familie - die ich natürlich mit in die Gespräche einbezog - eingehen zu müssen.
Fazit: Am Ende der Therapie beklagte sie sich scherzhaft bei mir darüber, dass sie morgens immer früher als zuvor aufstehen müsse, die Vögel im Garten seien so schrecklich laut.
Wie, was - da sei noch etwas offen? Ach so, hat sie abgenommen möchten Sie wissen? Ja, 23 Kg! ;-)
Zweiter Fall:
Vorstellung und Information
Es stellte sich mir ein ca. 40 - jähriger Mann vor, der Berufspilot sei und eine kleine Werbeflugfirma betreibe. Seine Spezialität bestehe darin, dass er hinter seiner Maschine aus Fallschirmseide gefertigte Banner, mit den originalen Firmenlogos seiner Kunden, schleppe. Sein Problem bestand nun darin, dass er ab einer bestimmten Flughöhe - 2500 Fuß - fürchterliche Ängste entwickelte, verbunden mit starkem Herzklopfen, Schweißausbrüchen und Schwindel. Seine letzte Flugtauglichkeitsüberprüfung lag, ohne Befund, ein halbes Jahr zurück.
Ich verabredete mich mit ihm. Da ich selber Pilot war, kannte ich die Problematik der Extremfliegerei. Therapie: Beim diagnostischen Vorgespräch hatte der Patient mir berichtet, dass er erhebliche Probleme mit der Entspannung und dem nächtlichen Schlaf habe. Vor allem würde ihm das Einschlafen sehr schwer fallen. In den ersten Sitzungen ging ich gezielt durch entsprechende Suggestionen, spezielle Atemtechniken und autogene Entspannungsübungen darauf ein.
Nach wenigen Sitzungen berichtete er mir, dass sich Erfolge einstellten. Der nächtliche Schlaf habe sich deutlich vertieft und auch das Einschlafen fiele ihm leichter. Vor allem die Atemtechnik brächte ihm sehr viel. Nur wenn er im Flugzeug säße und sich der Grenze von 2500 Fuß nähere, würde er nun immer häufiger in die Nähe einer Panik geraten. Ich schlug ihm vor, mit ihm gemeinsam einen Flug durchzuführen. Er war natürlich sehr skeptisch. Doch als ich ihm erklärte, dass ich im Notfall ja eingreifen könne und die Maschine so lange in der Luft halten würde, bis er sich wieder gefangen hätte, willigte er ein. Also verabredeten wir uns für einen der nächsten Tage, um den Flug durchzuführen.
Anfangs war alles in Ordnung. Die Wettererkundung, das Towerprocedere, der Flugzeugcheck und das Startmanöver waren tadellos und professionell. Auch der Steigflug machte keinerlei Schwierigkeiten. Er wies mich dann souverän in die Handhabung der Maschine ein, wobei wir auch einige Manöver der nicht ganz einfachen Art flogen. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass ich das Flugzeug handeln konnte, setzten wir den Steigflug fort. Je näher wir den 2500 Fuß kamen, umso unruhiger wurde er. Ihm brach heftig der Schweiß aus, das Gesicht wurde immer blasser und seine Atmung wurde sehr heftig und unregelmäßig. Ich versuchte ihn mit einigen Suggestionen zu beruhigen - keine Wirkung! Daraufhin forderte ich ihn auf, mir die Maschine zu übergeben, was er auch tat. Ich setzte den Steigflug fort.
Nun allerdings geschah etwas, womit ich wirklich nicht gerechnet hatte. Er beruhigte sich. Selbst als ich sein Flugzeug über 2500 Fuß flog, blieb er relativ gelassen. Bei 3000 Fuß fragte ich, ob er wieder übernehmen wolle. Er stimmte zu und übernahm. Ohne Probleme leitete er den Sinkflug ein und meldete unsere Rückkehr zum Flughafen an. Auch das Passieren der 2500 Fuß Marke verursachte keine Schwierigkeiten. Sicher und gekonnt führte er den Landeanflug aus und setzte die Kiste sauber auf. Den ganzen Abend dachte ich über unseren Flug nach. Mir wollte einfach nicht in den Kopf, weshalb diese Panik entstanden war. Meines Erachtens konnte es keineswegs etwas mit der eigentlichen Fliegerei zu tun haben, denn dazu hatte er einfach zuviel Sicherheit und Routine bewiesen.
Nach mehreren Gesprächen, auch mit seiner Ehefrau, kristallisierte sich heraus, dass mein Patient ein sehr sorgfältiger, ja sogar penibler Mensch war. Er kümmerte sich um alles. Selbst die Nähte der von seiner Ehefrau gefertigten Banner wurden von ihm kontrolliert. In einer der nächsten Sitzungen ließ ich ihn in einer mittleren Hypnose unseren gemeinsamen Flug noch einmal erleben. Als wir den Punkt seiner heftigen Unruhe erreichten, fragte ich ihn, was er gerade empfinde. Er antwortete: alles sei ihm zuviel. Ich führte ihn weiter bis zu dem Punkt, an dem ich die Maschine übernahm und fragte, was er denn nun empfinde. Er antwortete, er sei jetzt sehr erleichtert, endlich einmal habe er seine Verantwortung abgeben können. Damit war mir einiges klarer geworden. In weiteren Gesprächen stellte sich heraus, dass es ihm unmöglich erschien, Verantwortung zu delegieren. Da er ja schließlich für alles verantwortlich sei, müsse er sich ständig davon überzeugen, dass alles 100%ig sei.
In den folgenden Sitzungen lernte er, in einer mittleren Hypnose, auch in Streßsituationen loszulassen und Vertrauen zu sich und seinen Mitarbeitern auszubauen. In diesen Sitzungen ließ ich ihn immer wieder Situationen erleben, in denen er zu delegieren lernte, ohne dabei in Streß zu geraten. Allmählich gelang es ihm, das auch in die Realität zu übertragen. Nach einigen Kontrollflügen konnte ich mich davon überzeugen, dass sich seine Angst immer mehr auflöste, bis sie schließlich verschwand.
Fazit: Dadurch, dass mein Patient glaubte, er müsse alles steuern und kontrollieren, geriet er natürlich unter Versagensstreß. Er durfte sich keine Schwächen erlauben. Daraufhin schuf sein Unterbewußtsein eine scheinbare Erleichterung! Wenn er flog, sah ihn niemand. Nun konnte er schwach sein und sich dadurch seelisch erleichtern. Heute hat mein Patient seine Firmenaktivitäten um etliche neue Sparten erweitert, seinen Umsatz und Gewinn vervielfältigt. Allerdings werden die einzelnen Sparten von tüchtigen Mitarbeitern geführt, denen er vertraut - ohne ihnen ständig im Genick zu sitzen. Wir sind mittlerweile Freunde!
Dritter Fall:
Vorstellung und Information:
Man stelle sich einmal vor, eine Frau mit einem Jungen kommt in meine Praxis. Sie ist völlig verzweifelt! Er ist 15 Jahre alt und weigert sich, zur Schule zu gehen. Die Eltern haben bereits mehrfach erhebliche Summen Strafe zahlen müssen. Ja, so war das vor noch gar nicht langer Zeit. Sie sagen, das sei heute noch so? Dann lesen Sie einmal, was aus diesem Jungen wurde! Mein Problem bestand zunächst darin, sein Vertrauen zu erreichen.
Immer schon war es meine Philosophie, nichts gegen etwas zu tun! Immer nur etwas für ein Ziel! Also überlegte ich, wie kann ich es erreichen, dass er beginnt, mir zu glauben. Sollte ich ihm erzählen, dass es mir gelingen würde, ihm die Schule schmackhaft zu machen? Sollte ich ihm glanzvolle Zukunftsaussichten vorfaseln? Mir war aufgefallen, dass dieser junge Mensch ein erstaunliches Maß an Phantasie besaß. Ebenfalls interessant war sein starkes Interesse an technischen Dingen.
Sein Vater war technischer Schiffsoffizier. Konnte es sein, dass er ihm nacheifern wollte? Nach etlichen Gesprächen fand ich heraus, dass dies nicht ein ausschlaggebender Grund sein konnte. Im Gegenteil, dass sein Vater ständig nicht zu Hause war, stellte eines seiner größten Probleme dar!
Was war also zu tun? Nun, ich dachte mir, dass es ihn reizen könnte, eines Tages etwas zu tun, was ihm Unabhängigkeit, einen gewissen Freiraum, und dennoch familiäre Nähe und Verbundenheit verschaffen würde. Also reizte ich ihn mit der Vorstellung, eines Tages ein eigenes Geschäft zu besitzen, in dem ihm sein Vater sogar helfen könne. Allerdings mußte ich ihm verständlich machen, dass das nicht ohne einen gewissen Einsatz zu schaffen sei. Also schlug ich ihm ein Programm vor. Wir steckten uns Ziele - und die versuchten wir zu erreichen. Aber mit weniger Zeitaufwand, als wir uns selbst vorgegeben hatten. Jeder mußte also ein wenig besser als geplant sein. Es gelang mir immer mehr ihn zu motivieren. Durch erlernen bestimmter autosuggestiver Formeln und Techniken, war er nach kurzer Zeit (3 Monaten) in der Lage, Spannungszustände zu neutralisieren.
Das war natürlich eine positive Erfahrung für ihn. Er begann also motivierter mit sich selber umzugehen. Lange Zeit gehörte es zu seiner Wesensart, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Auch hieran arbeiteten wir intensiv mit einer Verhaltenstherapie. Über viele Jahre begleitete ich ihn, allerdings mit immer größer werdenden Sitzungsabständen. Zuletzt sahen wir uns zwei- bis dreimal pro Jahr.
Fazit: Heute, 18 Jahre später hat er sich seinen Traum von der Selbstständigkeit verwirklicht. Nach Studium und Meisterschule betreibt er mit 4 Mitarbeitern eine kleine, aber sehr erfolgreiche Firma. Keinem Problem oder schwierigen Situation weicht er mehr aus. Ohne überheblich zu sein, kennt er seine Kräfte und Fähigkeiten. Er versteht sie richtig einzusetzen und ist damit Gestalter seines Schicksals geworden. Übrigens, seine Kinder ( 1 Junge + 1 Mädchen) gehen gerne zur Schule. Auch wir sind mittlerweile gute Freunde geworden!
(wird fortgesetzt)